Ist Sexuelle Freiheit in einer monogamen Beziehung möglich?

Ein frisch verheiratetes Paar kniet romantisch umschlungen auf dem Ehebett. Sie hat ihr Hochzeitskleid ausgezogen und trägt nur noch ein Negligé. Beide schauen sich tief in die Augen und liebkosen sich.
Monogamie und sexuelle Freiheit – passt das zusammen?

Monogamie ist ein weit verbreitetes romantisches Ideal und in vielen Kulturen eine gesellschaftliche Norm, die es zu erfüllen gilt. Treu nach dem Motto: verliebt, verlobt, verheiratet – bis ans Ende aller Tage. Doch ist dieses Konzept noch zeitgemäß? Wie lässt sich sexuelle Freiheit mit diesem Beziehungsmodell vereinbaren? Und müssen wir uns von gesellschaftlichen Normen überhaupt vorschreiben lassen, wie wir l(i)eben sollen?

Was versteht man unter einer monogamen Beziehung?

Das Wort Monogamie stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Einehe“. Der Begriff wird aber auch für die klassische Beziehung verwendet, in der sich zwei Menschen exklusiv lieben und ausschließlich miteinander Sex haben.

In monogamen Beziehungen spielen Verlässlichkeit und Treue eine zentrale Rolle. Daraus ergeben sich Stabilität und Sicherheit – zwei Grundbedürfnisse, die für uns Menschen sehr wichtig sind.

Die Monogamie ist aber auch ein Beziehungsmodell, über das immer häufiger kontrovers diskutiert wird – vor allem im Hinblick auf sexuelle Freiheit.

Sich sexuell ausleben – ist das in einer monogamen Beziehung überhaupt möglich?

Diese Frage stellen sich vor allem die Kritiker der monogamen Beziehung. Und die ist durchaus berechtigt, denn auf der einen Seite haben wir zwar ein starkes Bedürfnis nach Bindung und Geborgenheit, auf der anderen aber auch nach sexueller Autonomie, Abwechslung und Individualismus.

Vor allem die „sexuelle Exklusivität“ scheint eine Herausforderung zu sein, denn Liebe und Verlangen gehorchen nicht den gleichen Gesetzen. Selbst wenn wir glücklich verliebt sind, fühlen wir uns trotzdem zu anderen Menschen sexuell hingezogen. Und diese Gefühle lassen sich nicht einfach abschalten. Wir können nur versuchen, sie zu kontrollieren, um unsere Beziehung nicht zu gefährden.

Wenn man sich dieses „Dilemma“ anschaut, drängt sich die Frage auf: Sind wir Menschen überhaupt für monogame Bindungen geschaffen?

Ist Monogamie noch zeitgemäß?

Im Mittelalter war die romantische Verbindung zweier Menschen nicht unbedingt der Hauptgrund für eine Eheschließung, sondern materielle oder gesellschaftliche Aspekte – Liebe und sexuelle Exklusivität waren eher die Ausnahme.

Die Ehe diente der Festigung des sozialen Ranges oder dem gesellschaftlichen Aufstieg, dem Sichern der eigenen Erbfolge oder der schlichten Vermehrung von Besitztümern wie Land oder Vermögen. Nicht gerade sehr romantisch.

Welchen Stellenwert hat die Ehe heute?

Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich das – vor allem durch die industrielle Revolution und den Kapitalismus. Mit der finanziellen Unabhängigkeit verlor die Familie als „lebenssichernde Institution“ immer mehr ihre Bedeutung – wir sind heute insgesamt freier und unabhängiger. Mit der Gesellschaft hat sich natürlich auch die Ehe im Laufe der Jahre gewandelt.

Soziale Zwänge spielen für uns im 21. Jahrhundert eine immer kleinere Rolle. Stattdessen werden individuelle Wünsche und Bedürfnisse immer wichtiger. Und dadurch verändert sich natürlich auch die Art und Weise, wie wir unsere Sexualität ausleben und Beziehungen definieren.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf unser Verständnis von Beziehungen aus?

Dating-Apps haben unser „Konsumverhalten“ bezogen auf die Partnerwahl grundlegend verändert. Früher lernte man sich meist bei persönlichen Begegnungen kennen. Heute treffen wir bereits von der Couch aus anhand von Fotos und Kurzbeschreibungen eine Vorselektion aus einer Vielzahl von möglichen Partnern.

Da die Auswahl so groß ist, entscheiden wir uns meist innerhalb weniger Sekunden für oder gegen jemanden, und das anhand von eher oberflächlichen Merkmalen. Nach und nach legen wir uns so eine Art Sammlung an – immer auf der Suche nach einem noch besseren Match.

Dieses Konsumverhalten zeigen wir auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der abendlichen Filmauswahl: Durch das große Angebot fällt es uns immer schwerer, einen geeigneten Film zu finden und wir verbringen meist mehr Zeit mit der Auswahl als mit dem Anschauen. Daher kennt man dieses Phänomen auch als „Netflix-Effekt“.

Die scheinbar grenzenlose Freiheit kann also durchaus überfordern. Sinken dadurch unsere Kompromissfähigkeit und die Bereitschaft, uns auf nur einen Menschen exklusiv einzulassen? Sind wir vielleicht eher für Beziehungsmodelle geeignet, in denen wir mehrere Menschen lieben können?

Eine Frau liegt halbnackt auf der Couch. Sie schaut interessiert auf ihr Handy und sucht mit Hilfe einer Dating-App nach sexueller Freiheit mit möglichen Partnern.
Dating-Apps haben unser Verhalten in Bezug auf die Partnerwahl verändert.

Polyamorie – die einzige Chance auf sexuelle Freiheit?

Polyamorie ist neben vielen weiteren alternativen Beziehungsmodellen der derzeit meistdiskutierte Ansatz. Hierbei handelt es sich um eine gleichberechtigte Liebesbeziehung zwischen mehreren Menschen.

Im Gegensatz zur offenen Beziehung gibt es kein Hauptpaar, das sich zusätzlich mit anderen Partnern sexuell vergnügt, sondern jeder liebt jeden. Gleichberechtigt. Auf Augenhöhe. Mit Liebe und sexueller Freiheit für alle!

Treue und Kommunikation haben in diesem modernen Beziehungsmodell einen sehr hohen Stellenwert. Schließlich müssen hier nicht nur zwei, sondern (mindestens) drei Personen ihre Bedürfnisse aufeinander abstimmen und Kompromisse finden.

Das Ausbalancieren von Wünschen und Grenzen in einer polyamoren Beziehung erfordert vor allem Offenheit, Vertrauen, Kompromissbereitschaft und eine sehr gut funktionierende Kommunikation. Eifersucht ist in diesem Beziehungsmodell eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, der man gewachsen sein sollte.

Ein gutes Grundverständnis von sich selbst und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, scheinen ebenso wichtige Voraussetzungen für den Erfolg dieses modernen Beziehungsmodells zu sein. Polyamorie kann unter gewissen Voraussetzungen funktionieren, ist aber nicht unbedingt für jeden etwas.

Welches Beziehungsmodell ist denn nun der Weg zur sexuellen Freiheit?

Vielleicht sollten wir zunächst einmal klären, was sich hinter dem Begriff „sexuelle Freiheit“ überhaupt verbirgt. Denn sexuell frei zu sein bedeutet nicht, die Freiheit zu besitzen, mit jedem potenziellen Sexualpartner schlafen zu dürfen.

Vielmehr geht es darum, die eigene Sexualität frei zu entfalten – ohne Zwänge, Schuldgefühle oder Scham, frei von vermeintlichen gesellschaftlichen Normen oder einer Art allgemeingültiger „Sexualmoral“. Denn es ist völlig in Ordnung, sexuelle Fantasien zu haben und diese ausleben zu wollen.

Im Grunde genommen hat das Konzept der sexuellen Freiheit überhaupt nichts mit Monogamie, Polyamorie oder anderen Beziehungsmodellen zu tun.

Ein älteres Paar sitzt nebeneinander auf dem Bett. Sie flüstert ihm eine sexuelle Fantasie ins Ohr. Ihre Augen sind geschlossen und sie lächelt geheimnisvoll.
Das gegenseitige Anvertrauen sexueller Fantasien kann selbst langjährige Beziehungen immer wieder aufs Neue inspirieren.

Sexuelle Freiheit in monogamen Beziehungen ausleben – doch möglich?

Auf diese Frage gibt es viele verschiedene Antworten. Zum einen ist offene Kommunikation die wichtigste Grundvoraussetzung für sexuelle Freiheit. Denn wenn wir über unsere sexuellen Bedürfnisse sprechen, legen wir den Grundstein dafür, um uns sexuell ausleben zu können. Manchmal löst ein offenes und ehrliches Gespräch sogar Knoten in unseren Köpfen, die wir völlig zu Unrecht mit uns herumtragen.

Zum anderen gibt es auch für monogame Paare viele Möglichkeiten, um den Sex aufregender zu gestalten. Gemeinsam etwas auszuprobieren, Experimente zu wagen und neue sexuelle Wege zu beschreiten, kann aufregender sein als eine Affäre oder ein Seitensprung. Intimität und Vertrauen wirken sich nämlich durchaus positiv auf unsere Sexualität aus.

Wenn wir öfter etwas Neues ausprobieren, erleben wir gemeinsam wieder genau das, was unsere Beziehung zu Beginn so aufregend gemacht hat: Das Kribbeln, die Spannung und dieses unwiderstehliche sexuelle Knistern. So lässt sich Sex selbst in langjährigen Beziehungen abwechslungsreich gestalten, und zwar immer wieder aufs Neue.

Wie wollen wir l(i)eben?

Diese Frage zu beantworten, bleibt jedem selbst überlassen. Eines sollten uns dabei auf jeden Fall klar sein: Es spielt keine Rolle, für welches Beziehungsmodell wir uns entscheiden oder zu welchem Geschlecht wir uns hingezogen fühlen. Wir haben heute mehr denn je die Möglichkeit, unsere Liebe und unser Leben so zu gestalten, wie es sich für uns richtig anfühlt. Und diese Freiheit sollten wir nutzen!

Bildquellen: pexels-Ana-Maria-Moroz-1700765, pexels-Rerisson-Hofniel-8595069, pexels-ANTONI-SHKRABA-production-8791187

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